Mottaker: | EMILIE BARDACH |
Datering: | 7. oktober 1889 |
Sted: | MÜNCHEN |
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Om verket | ||||||||||||||
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Vom ganzen Herzen danke ich Ihnen, hochgeschätztes Fräulein, für den so überaus liebenswürdigen und lieben Brief; den ich am vorletzten Tage meines Aufenthaltes in Gossensass empfangen und wieder und wieder gelesen habe.
Dort, in der Sommerfrische, sah es während der letzten Woche recht traurig aus – oder es kam mir jedenfalls so vor. Keine Sonne mehr. Alles fort – verschwunden. Die wenigen
zurückgebliebenen Gäste konnten mir selbstverständlich keinen Ersatz bieten – für das schöne kurze Spätsommerleben.
Ins Pflerschthal bin ich jeden Tag spaziren gegangen. Es giebt dort am Wege eine Bank, wo es sich in Gesellschaft gewiss recht stimmungsvoll plaudern liesse. Aber die Bank war leer und ich bin vorbei gegangen ohne Platz zu nehmen.
Auch im grossen Saal habe ich es öde und trostlos gefunden. Die Gäste,
Familie Pereira und der Professor mit Gattin, erschienen nur bei den Mahlzeiten. – Erinneren Sie die grosse, tiefe Fensternische rechts vom Eingang der Veranda? Es war so
recht eine schöne Nische. Die berauschend duftende Blumen und Pflanzen standen noch immer da. Aber sonst – wie leer – wie einsam – wie verlassen.
Nun sind wir also wieder hier, – zu Hause, – und Sie ebenso in Wien. Sie schreiben, dass Sie sich jetzt sicherer, freier, glücklicher fühlen. Wie freue ich mich über diese Worte! Mehr will ich nicht sagen.
Eine neue Dichtung fängt an in mir zu dämmeren. Ich will sie diesen Winter vollführen und versuchen, die heitere Sommerstimmung auf dieselbe zu übertragen. Aber in Schwermuth wird sie enden. Das fühle ich. – Es ist so meine Art.
Ich habe Ihnen einmal gesagt, ich korrespondire nur in Telegrammstil. Nehmen Sie also diesen Brief so, wie er eben ist. Sie werden ihn jedenfalls verstehen.
Tausend Grüsse sendet
Ihr ergebener
Dr: H. I.